der bajazzo 2023

„spaaaß – wer bestimmt, was lustig ist?“ – kjt dortmund

Wo einem das Lachen im Halse stecken bleiben sollte: Mobbing am Alltagsort Schule setzt vielen zu. Die KJT-Produktion „Spaaaß …“ zeigt, wie schleichend solche Dinge beginnen. Und wie man ihnen begegnet.

Die Laudatio

Täter und Opfer

Sportunterricht. Warten auf die Lehrkraft. Zeit für ein Update unter den Schülerinnen und Schülern. Wer macht gerade was mit wem? Welche Modemarke ist hip? Wer ist in und wer out? – Stopp mal! Was geschieht da gerade? Welche gesellschaftlichen Mechanismen kommen bei einem scheinbar belanglosen Talk in Gang? Wer wird da be-, wer verurteilt?

Christian Gieses Text „Spaaaß – Wer bestimmt, was lustig ist?“ macht mit ausgeklügelter Dramaturgie sichtbar, wie Alltagssituationen zu Tribunalen werden können. Die statistische Faktenlage zum Thema Ausgrenzung ist dürftig. Laut Erhebungen der OECD im Rahmen der PISA-Studie 2018 sind 6 % der fünfzehnjährigen Schüler*innen Mobbing durch Klassenkolleg*innen ausgesetzt. 23 % haben zumindest einmal während ihrer Schulzeit Mobbing-Attacken erlebt. Expert*innen gehen aktuell davon aus, dass etwa jede*r zehnte Schüler*in über längere Zeit drangsalisiert, beleidigt und gedemütigt wird. Die Dunkelziffer in sozialen Netzwerken ist noch viel höher. Mittlerweile ist Mobbing zu einem hochbrisanten Problem für Psycholog*innen geworden. Denn das Gefühl, gesellschaftlich nicht akzeptiert zu sein, hat Auswirkungen auf das individuelle Selbstverständnis. Die Seele reagiert mit psychosomatischen Störungen darauf. Angsterkrankungen und Depressionen bei Erwachsenen haben oftmals ihre Ursachen in jugendlichen Ausgrenzungserfahrungen.

Ensemblemitglied und Regisseurin Johanna Weißert befasst sich in ihrer künstlerischen Arbeit immer wieder mit dem Spannungsverhältnis von Individuum und Gesellschaft. Und das zu Recht, denn gerade in einer Zeit, in der äußere Umstände – sei es eine Pandemie, sei es ein Krieg, seien es ökologische oder ökonomische Rahmenbedingungen – Bruchstellen im gesellschaftlichen Gefüge zutage treten lassen, ist es mit der statistischen Feststellung von Missständen nicht getan. Sensibilisierung tut not. Katastrophen haben meist keinen spektakulären Anfang. Sie schleichen sich ein und nehmen unterhalb der Bewusstseinsschwelle Fahrt auf. 

„Spaaaß – Wer bestimmt, was lustig ist?“ ist eine Produktion des KJT Dortmund, die sowohl durch die Brisanz ihres Themas als auch durch die dramaturgische Aufbereitung, den interaktiven Diskurs zwischen Bühne und Publikum und nicht zuletzt durch die Intensität der darstellerischen Darbietung überzeugt. Auch jene, deren Schulzeit schon eine Weile zurückliegt, sind vor dem Gefühl der Beklemmung nicht gefeit, wenn man gewahr wird, wie leicht der Punkt zu übersehen ist, an dem sich eine soziale Gemeinschaft in Täter*innen und Opfer spaltet. 

Der Vergleich zu aktuellen Arbeitssituationen, der statistisch besser belegt ist (rund jede*r dritte Deutsche hat im Job Mobbing erfahren!),  drängt sich auf. Und macht „Spaaaß – Wer bestimmt, was lustig ist?“ zu einem generationenübergreifenden Lehrstück.

Mit dem Bajazzo 2023 wird neben der beeindruckenden Leistung des Ensembles (Bianka Lammert, Wenja Imlau, Jan Westphal, Thomas Ehrlichmann, Rainer Kleinespel) und der Regisseurin Johanna Weißert auch das tiefe Verständnis von Theaterarbeit als gesellschaftliche Intervention ausgezeichnet. 

Info

Das KJT Dortmund ist eines der ältesten Kinder- und Jugendtheater Deutschlands. Seit 1999 wird es von Andreas Gruhn geleitet. 

Der programmatische Bogen spannt sich von „klassischen“ Theaterproduktionen über Dortmunder Erstaufführungen aktueller Bühnenwerke bis zu experimentellen und partizipativen Formaten. 

Im Mittelpunkt steht dabei immer die Auseinandersetzung mit den Lebensrealitäten des jungen Publikums.

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